Heißer Sand und Brennende Herzen

13. August

Mal schauen, wie es sich anfühlt, mich wieder in die Realität zu fügen. Ich freue mich auf die erste Sichtung des Filmmaterials. Bis mitte Oktober soll die erste DVD fertig sein.

Die Arbeit beginnt.

Gepostet am 26 Aug 2010 von Andi

5. bis 7. August

Wir fahren schon über zwei Stunden durch einen unwirklichen, nebelartigen Dunst. Es riecht verbrannt. Wir wissen von den Waldbränden und ich denke mir, es muß doch bald vorbei sein. 150 km vor Nischni Novgorod zieht dichter Rauch über die Straße. Ich kann die Mittagssonne mit bloßen Augen betrachten und durch den Nebel ihre Korona sehen, wie durch eine verrußte Glassscheibe. Im Rückspiegel sehe ich Alexanders KTM aus einer Nebelschwade herausfahren und es sieht so aus, als würde die Wolke ihn verfolgen und bald wieder verschlucken. Am Straßenrand stehen vereinzelt verkohlte Reste von Bäumen. Feuer ist nicht zu sehen.

Der Qualm wird immer dichter und mir tränen die Augen. Atmen fällt schwer. Immer wieder sehen wir Feuerwehrwagen mit Höchstgeschwindigkeit auf der Hauptstrasse fahren. An manchen Tankstellen hat man zur Sicherheit einen Löschzug mit Feuerwehrleuten abgestellt.

16:00 Uhr und ich habe das Gefühl, es dämmert und wird bald dunkel. Wir suchen einen Zeltplatz in der Nähe vom Wasser und finden einen kleinen Fluss. Ich habe Angst nachts vom Feuer überrascht zu werden und bestehe auf einen Platz direkt neben der Hauptstrasse. Wir sind so erschöpft, das wir trotz des Lärms der vorbeifahrenden Wagen schnell schlafen. Am nächsten Morgen liegen feine Aschefetzen auf den Motorrädern und verschmieren mit dem Morgentau auf unseren Zelten.

Bei Vladimir ist der Qualm am dichtesten. Wir beschließen schnell aus Russland raus zu fahren. Auch als es sich um Moskau herum wieder lichtet.

Gepostet am 14 Aug 2010 von Andi

2. bis 4. August

Motorradfahren in Russland hat einen metaphysischen Moment. Mit der unkalkulierbaren Weite setzte bei mir die Entspannung ein. Nach ca. einer Woche Fahrt war mir klar: Der schieren Größe des Landes habe ich allenfalls meine Gelassenheit entgegenzusetzen. Ein Wald kann schon mal eine Länge haben von 200 km, bevor ich wieder etwas anderes sehe, außer Bäume entlang einer geraden Straße. Eine Steppenlandschaft kann eine Länge haben von 300 km und erzeugt in mir ein Gefühl von Unendlichkeit. Und manchmal fahren wir eine Stunde über eine buckelige Lehmpiste durch dichten Nadelwald, die kurz vor dem gedachten Ziel einfach die Himmelsrichtung ändert, - oder auf einer Waldlichtung endet. Das Fahren gerät zu einer Art Meditation. Und macht süchtig.

Wir umfahren die großen Städte und übernachten zwei mal an der Wolga, die an einer Stelle so breit ist, das ich das andere Ufer nicht sehen kann. Wir Zelten in der Nähe einer Bucht mit einem kleinen Hafen und ich habe das Gefühl, ich stehe an einem Meer. Es ist drückend heiß. Die Sonne liegt den ganzen Tag in einem Schleier von Dunst, den ich mir nicht erklären kann und will mal wieder nicht untergehen. Die Mücken sind plötzlich verschwunden.


Gepostet am 14 Aug 2010 von Andi

1. August, über den Ural zurück nach Perm

Der Rückweg über den Ural, wehmütig. Ich hätte gerne mehr Zeit. Dazu haben wir ein disiges Wetter und Brandgeruch in der Luft. Aber wir können den Waldbrand nicht sehen.
Russische Gastfreundschaft ist für mich immer wieder eine Überraschung und gipfelt an diesem Tag in Drei Einladungen, die wir nicht ausschlagen können. Fahren wir von der Hauptverkehrstraße ab, ergibt sich fast zwangsläufig eine deutsch-russische Begegnung.

Von der Straße aus sehen wir eine alte Kirche auf einem Berg deren Kuppeln golden glänzen. Die Auffahrt durch ein kleines Dorf, über einen ausgefahrenen Schotterweg ist steil. Die Kirche ist halb verfallen und wird wohl gerade renoviert. Wir wollen nur einen Moment ausruhen, ein paar Fotos machen. Ein alter Moskwitrsch fährt vor und ein aufgeregter Mann und seine Frau springen heraus. Wir werden esrt in ein Holzhaus neben der Kirche gebeten, wo man uns Fotos zeigt vom Popen und von der unrenovierten, verfallenen Kirche mit der Jahreszahl 2005. Der Mann heisst Iljitsch, kann kein wort Deutsch und redet sehr viel. Ich erzähle von unserer Reise und von Humboldt, dessen Namen er noch nie gehört hat. Trotzdem verstehen wir uns. Die Stimmung ist voll Lust an der fremden Begegnung und herzlich.

Wir bekommen eine Führung durch die halbrenovierte Kirche, inkl Aufstieg in den Glockenturm. Iljitsch ist Gemeindevorsteher und Schreiner. Er arbeitet eigenhändig seit 6 Jahren an ihrer rekonstruktion. Die Frau von Iljitsch hat uns inzwischen eine Mahlzeit zubereitet. Tee, frische Beeren, Gemüse aus eigenem Anbau, Brot und Honig. Anschließend werden wir gebeten mit unseren Kameras in Iljitschs Auto zu steigen. Er fährt uns dorch das Dorfg am und wir steigen einen steilen Weg hinunter an einen smaragdgrünen, kleinen See. das Wasser ist tief aber so klar, das man die Steine auf seinem Grund wie durch eine Lupe sehen kann. Iljitsch erklärt, das der See direckt aus fünf Quellen gespeist wird, die an dieser Stelle aus dem Berg treten. Dies ist der Grund, warum die Kirche vor 250 Jahren an diesem Ort gebaut wurde. Iljitsch zieht sich aus, steigt in das Wasser, bekreuzigt sich und taucht dreimal unter. Das Wasser hat Heilkräfte sagt Iljitsch und wir sollen das gleiche tun. Ich weiß nicht, wie man sich richtg bekreuzigt und versuche das zu überspielen. Das Wasser ist eiskalt. Bevor wir weiterfahren, dreht Iljitsch mit Alex KTM eine Runde um seine Kirche.

Am Nachmittag die zweite Begegnung. Wir fahren ein Stück Offroad durch ein Dorf an einem Fluß über eine improvisierte Brücke. 38 Grad im Schatten und wir wollen an einer ruhigen Stelle baden. Aber man hat uns schon von Ferne gesehen. Ehe wir von den Motorädern gestiegen sind, hält vor uns ein kleiner Fiat mit quitschenden Reifen. Techno Bässe auf volle lLutstärke. Wir müssen mitkomme! Zu dern anderen. Die warten schon am Fluß. Fragen und Antworten, russisch, deutsch und irgendwie versteht man sich. Die Russen reden sehr laut. Und stellen sich dazu möglichst dicht an mich heran. Es gibt Wodka, Brot, Wurst und Käse. Dazwischen Baden. der Fluss fließt so schnell, das ich nicht gegen ihn anschwimmen kann. Man geht einige hundert meter flußauf und lässt sich treiben, wenn mann ein Stück schwimmen möchten.

Spät Nachmittags treffen wir wieder in Perm ein. Bei Julija gibts' russische Buchweizenfladen mit Kavia. Und eine Dusche. Wir fahren vor der Dunkelheit wieder aus Perm aus und übernachten an eiem Fluss. In der Nacht 3 kurze Gewitter.

Gepostet am 11 Aug 2010 von Andi

31. Juli Ekaterinburg Richtung Nischni Tagil

Die Fahrt über den Ural ist enttäuschend. An dieser Stelle schwingt sich er sich über sanfte Hügel langsam in die Höhe. Ich habe nicht das Gefühl über ein Gebirge zu fahren. Plötzlich sind wir in Ekaterinburg. Die Einfahrt nach Asien hatte ich mir als etwas besonderes vorgestellt.

Es ist später Nachmittag, wir erledigen notwendige Telefonate, bekommen ein Hotel empfohlen, fahren aber wieder aus der Stadt. 20 km Off-Road nach Norden und schlafen in einem Wald.
wir suchen den Magnetberg, auf dem Humboldt Messungen durchgeführt hat, aber ich habe nur Karten in sehr grobem Massstab. Wege über kleine Strassen und Lehmpisten führen uns immer wieder in die Irre. Entweder sie gehen nach einer Weile in die falsche Richtung, oder sie enden einfach im Nichts. Wir stehen vor einer nicht mehr befahrbaren Brücke. Ich probiere durch eine Furt den Fluss zu queren und falle ins Wasser. Pause und trocknen.

um 16:00 Uhr sind wir mit dem Deutschen Generalkonsulat verabredet. Wir haben einen großartigen Nachmittag und bekommen eine exklusive Führung durch Ekaterinburg. Beeindruckend ist das Mahnmal für die Gefallenen in Afgahnistan. Ganz anders, als die heroischen Kriegsdenkmäler, die in Russland überall zu finden sind, beeindruckt die überlebensgroße Plastik eines geschlagenen Soldaten.
Für den 2. August hat man uns eine Kameraführung durch eine alte Goldmine zugesagt, die auch schon Humboldt besucht hat, aber wir sagen schweren Herzens ab und verlassen Ekaterinburg am späten Abend. Wir haben 4.500 km Rückweg und man berichtet von großen Waldbränden.

Abends auf einer Tankstelle wiedereinmal eine überschwengliche Begegnung mit Fremden. Drei tätowierte Fernfahrer mit bloßen Oberkörpern haben Bier in der Hand und sprechen uns auf russisch an. Als sie verstehen, das wir aus Deutschland kommen sagt der Dicke laut und in bestem deutsch: "Stehen bleiben, oder wir schieße!". Er lacht. Das ist der einzige deutsche Satz, den er gelernt hat. Er war als Soldat in der russischen Armee und drei Jahre in Plaue stationiert.


Gepostet am 10 Aug 2010 von Andi

30. Juli, Perm

Man ist an unserer Fahrt sehr interessiert. Ich gebe Interviews für zwei russische Fernsehsender. Wir sind in den Abendnachrichten. Danach noch ein Kameragespräch mit dem Museumsdirektor von PERM 36.

Alle möchten wissen, wie wir in Russland zurechtkommen, ohne die Sprache zu sprechen und ob wir keine Angst haben. Haben wir nicht, sage ich, Russland ist gut zu uns. Ich habe das Gefühl, alle hier halten uns für etwas verrückt.
Der ganze Rummel wird uns langsam zu viel, und ich sehne mich zurück in die Natur und auf das Motorrad.

Nachmittags lasse ich endlich den durchgebrochenen Kofferträger an meinem Motorrad schweißen. Julija erzählt unsere Geschichte. Als ich die Arbeit bezahlen möchte, sagt mir der Werkstattmeister, er nehme kein Geld von mir, denn wir bräuchten unser Geld bestimmt für etwas anderes. Es wäre ihm eine Ehre, wenn wir auf dem Rückweg wieder bei ihm vorbeikommen würden, falls etwas zu reparieren sei. Ich bin gerührt.

Gerne hätte ich noch ein Interview mit Julijas Freund gemacht. Er ist Jagdflieger bei der russischen Luftwaffe. Aber Julija sagt, er dürfe keine Interviews geben, er sei Geheimnisträger und es sei ihm sogar untersagt, mit Ausländern zu reden. Jetzt weiss ich, warum er zwar immer freundlich lächelt, wenn er uns sieht, aber nicht mit mir spricht.
Als Entschädigung fahren wir abends auf ein Flugfeld in der Nähe von Perm und ich werde in einem alten Doppeldecker gesetzt. Das Flugzeug ist Baujahr 1951 und im Cockpit werden eine Menge Instrumentarien mit Klebeband zusammen gehalten. Ich fliege eine Stunde über Perm, zusammen mit zwölf Fallschirmspringern, die in verschiedenen Höhen abspringen. Auch dieser Pilot ist sehr freundlich zu mir, spricht aber kein Wort.

Wir fahren aus Perm heraus und übernachten im Zelt. Auf der anderen Flussseite wird geschossen. Aber es ist dunkel und wir können nichts sehen. Jetzt bin ich doch etwas unruhig.

Gepostet am 05 Aug 2010 von Andi

29. Juli, Perm

Mittags um 14:00 sind wir wieder in Perm.
Julija, unsere Bekannte, hat gut für uns gesorgt und Dolmetscher engagiert. Der Tag ist vollgepackt mit Terminen und wir machen ein Interview nach dem anderen. Im Museum fuer Industriegeschichte suchen wir nach Spuren von Humboldt.

Ich interessiere mich für die Kunstszene in Perm und treffe einen Maler und Bildhauer, der gerade seine Ausstellung hängt. Sehr schöne Bilder. Als er hört, dass wir mit Motorrädern von Berlin gekommen sind, möchte er sie sofort sehen und setzt sich drauf. Er ist bestimmt schon weit über sechzig, lacht und denkt, glaube ich, wir sind verrückt.

Ich sage, ich möchte am liebsten etwas original Russisches essen. Aber man will uns etwas ganz besonderes bieten und lädt uns zum Italiener ein.

Abends ein Interview für eine Permer Zeitung. Wir schlafen im Hotel.

Gepostet am 05 Aug 2010 von Andi